Rasseportrait "Berger de Beauce"
Energiebündel aus dem französischen Flachland
Rasseportrait von Stefan Burkhart, erstmals erschienen im "HUNDE 11/09"
Der Beauceron stammt von Hirtenhunden ab. Er ist treu, selbstsicher, rustikal. Vor allem im Jugendalter braucht er eine konsequente Führung. Mit einer solchen avanciert er zum angenehmen Familienhund und begeisterten Begleiter bei praktisch allen Sportarten.
Die Geschichte ist rührend und sagt alles über diese Rasse: Eine Beauceron-Hündin musste sich im Alter von 11 Monaten von ihrem Besitzer trennen. Sie kam in eine Familie, an die sie sich zwar erst nach sechs Monaten, dann aber sehr gut gewöhnte. Einmal im Jahr schaute der alte Besitzer vorbei. Jedes Mal bereitete ihm die Hündin einen Empfang voller Freude. Wenn er wieder ging, war die Hündin niedergeschlagen und ass bis zu acht Tagen nichts. Sie starb im Alter von 13 Jahren. Ihren ersten Besitzer hatte sie keinen Moment vergessen.
Das ist der Beauceron – ganz wie er liebt und lebt. Treu. Freundlich. Er folgt seiner Bezugsperson bis in alle Abgründe hinab. Bei einer konsequenten Führung ist er auch ein angenehmer Familienhund. „Wir legen grossen Wert auf Sozialisierung der Welpen“, sagt bezeichnenderweise Erwin Meinen. Er war Präsident des Schweizerischen Klubs der Beauceron-Freunde, züchtet die Rasse selber und weiss: „Der Beauceron identifiziert sich mit seinem Umfeld, für das er sich aufopfert. Nach dem Motto: My house is my castle.“
Ein polyvalenter Begleiter
Der Beauceron ist nicht nur treu. Er ist auch ein Arbeitstier. Polyvalent lässt er sich in der ganzen Palette des Hundesports (und als Begleiter beim Sport generell) einsetzen. Allerdings gilt die Rasse entwicklungsmässig eher als Spätzünder. „Une adolescene tardive“ – wie es in französischen Quellen heisst. Bis ca 18. Monate ist er sehr verspielt, gefolgt von einer Pubertätsphase bis rund dreijährig.
Der Beauceron geht mit hoher Seriösität an eine Aufgabe und gibt nicht auf. Der französische Standard verwendet die Adjektive „sage“ und „hardi“ (etwa brav und kühn), was ein sicheres Gefühl dafür gibt, wie der ideale Beauceron zu sein hat. Profan: Bestimmt kein Weichei, aber auch kein Rüpel; Hündinnen können richtig verschmust sein, wie Meinen sagt.
Die Arbeitstauglichkeit des Beauceron hängt mit seiner Entstehungsgeschichte zusammen und ist erwünscht. Er ist ein Abkömmling von Hirtenhunden. Eine wichtige Aufgabe seiner Vorfahren bestand im Schutz der Herden vor wilden Tieren. Francois Rozier (1734 – 1793) erwähnt noch in seinem berühmten „Cours d’agriculture“ einen Mastiff, der fähig sei, einen Wolf zu attackieren und niederzustrecken. Die Beschreibung ist natürlich vage, zeigt aber, dass man sich die Urahnen des Beauceron wehrhaft vorzustellen hat.
Verschiedene Entwicklungen drängten allerdings die Funktion des Herdenschutzes zurück: Der Wolf wurde stark dezimiert. Ausserdem hat man das Land zunehmend parzelliert. So musste das Vieh zwischen den verschiedenen Parzellen hin- und her getrieben werden. Ein weiterer Aspekt war die „vaine pâture“. Dieses Gewohnheitsrecht geht ins Mittelalter zurück und erlaubt es, Vieh auch ausserhalb des eigenen Grundstücks weiden zu lassen (Wald, Dickicht, abgeerntete Felder, Brachland).
All dies führte dazu, dass für die Hunde der Hirten eine neue Aufgabe ganz entscheidend wurde: das Treiben von Vieh. Wobei diese Entwicklung eher mit dem Flachland zu assoziieren ist die Verdrängung des Wolfes und die Parzellierung wurden hier deutlicher wirksam). Die Rassebezeichnung „Beauceron“ oder „Berger de Beauce“ suggeriert denn auch einen (allerdings nicht wörtlich zu nehmenden) Zusammenhang mit der zentralfranzösischen Region „la Beauce“ – ein fruchtbares Plateau im Südwesten von Paris, typisches Flachland.
Die französische Landwirtschaft blieb noch lange lokal geprägt. So konnten sich in den verschiedenen Regionen charakteristische Schläge von Hirtenhunden herausbilden, die sich später zu Rassen im heutigen Sinne verdichten liessen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts verfeinerte sich der Rassebegriff mit dem Aufkommen des Ausstellungswesens und der Reinzucht. An der ersten französischen Hundeausstellung von 1863 wurden 16 Tiere gezeigt, die sich als Beauceron im heutigen Sinne identifizieren lassen. 1893 charakterisierte der Veterinär Pierre Mégnin den Beauceron und differenzierte ihn klar vom Berger de Brie als langhaarigen Typ.
Der Werdegang der „Rotsocken“
Unter dem Einfluss von Mégnin legte im Jahre 1896 eine Kommission die Charakteristika der französischen Schäferhunde-Rassen fest. Dabei einigte man sich auf eine klare Formel: stockhaariger Schäferhund gleich Berger de Beauce und langhaariger Schäferhund gleich Berger de Brie. Wichtig dabei: Die Bezeichnungen sagen nichts aus über die reale geografische Herkunft der Rassen. Kurzhaarige und langhaarige Hirtenhunde gab es in verschiedenen Regionen Frankreichs. Insofern ist „Bas Rouge“ eine unverfänglichere (und bis heute gebräuchliche) Bezeichnung für den Beauceron, so benannt nach den rötlichen Brandzeichen.
Aus der Kommission um Mégnin entstand 1896 der „Club Francais du chien de Berger“. Kurz darauf wurde ein erster Standard publiziert. 1911 folgte die Gründung des offiziellen französischen Rasseklubs („Club des Amis du Beauceron“). Während des Ersten Weltkrieges erlebte die Zucht einen Unterbruch. Im „Grand Guerre“ dienten viele Tiere in patriotischer Mission, so auch zahllose Spür-, Melde- und Transporthunde. Nach dem Krieg wurden die züchterischen Aktivitäten wieder aufgenommen. Der bis heute massgebende (wenngleich noch einige Male revidierte) Standard geht auf das Jahr 1923 zurück. Die erste Eintragung ins Schweizerische Hundestammbuch erfolgte 1931.
Den Bezug zur Herde hat der Beauceron in der modernen Gesellschaft mehrheitlich verloren. Er ist ein Hund für echte Liebhaber, wie auch die Zahlen zeigen. Per 1. September 2009 sind in der Datenbank von Anis 1654 Hunde mit der Rassebezeichnung „Beauceron“ / „Berger de Beauce“ registriert. Unter den Besitzern finden sich verschiedenste Leute vom „Handwerker bis zum Multimillionär“, wie Meinen sagt. Ohne Zweifel ist der Beauceron von eindrücklicher Statur. Daher könnte er ins Fahndungsraster von Leuten geraten, die sich einen Hund zum Imponieren suchen. Doch hier greift der Rasseklub rigoros durch. Die Züchter prüfen Kaufinteressenten genau, damit ihre Welpen in ein optimales Umfeld gelangen.